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Digitale Medien und das kindliche Gehirn: Wie Handy, Tablet & Co. die Entwicklung beeinflussen – und was Eltern tun können

Autorenbild: Nini JanniNini Janni

Die Nutzung von Smartphones, Tablets und Online-Spielen ist für Kinder und Jugendliche im Alter von 8 bis 15 Jahren heute allgegenwärtig. Während digitale Medien zahlreiche Vorteile bieten, gibt es auch berechtigte Bedenken hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die kindliche Gehirnentwicklung und das allgemeine Wohlbefinden. In diesem Beitrag werden aktuelle Studienergebnisse vorgestellt, die Prozesse im Gehirn erläutert und praktische Hinweise für Eltern gegeben, wie sie den Medienkonsum ihrer Kinder gesund gestalten können.


Aktuelle Studien zu den Auswirkungen digitaler Medien auf Kinder



Medien Kinder
Medien Kinder

Zahlreiche Studien haben die Auswirkungen von Bildschirmzeit auf die Entwicklung von Kindern untersucht. Eine Untersuchung der Technischen Universität Chemnitz warnt davor, dass eine hohe Bildschirmzeit insbesondere bei jungen Menschen Risiken birgt. Die kognitive, soziale und emotionale Entwicklung werde durch den Medienkonsum beeinflusst. Es sei jedoch nicht die reine Bildschirmzeit entscheidend, sondern insbesondere die Medieninhalte. Durch jeden Augenblick vor dem Smartphone, Fernseher oder Computer verpasse das Gehirn Zeit, um in der analogen Umwelt Erfahrungen zu machen. Durch Bildschirmnutzung werde diese lernförderliche Freizeit verdrängt.


Eine weitere Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin hat untersucht, wie Kinder trotz vermeintlicher Konzentrationsschwächen Aufgaben bewältigen. Die Forscher fanden heraus, dass Kinder oft durch spontane Strategiewechsel und kreative Lösungsansätze ihre geringere Fähigkeit zur fokussierten Aufmerksamkeit kompensieren. Während Erwachsene tendenziell einen engen Fokus auf Aufgaben legen, verfügen Kinder über einen breiteren Aufmerksamkeitsbereich, der es ihnen ermöglicht, weniger relevante Informationen zu verarbeiten und dadurch innovative Lösungswege zu entdecken.

Die KIM-Studie 2022 des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest zeigt, dass insgesamt 70 Prozent der Kinder das Internet nutzen.


Mit zunehmendem Alter steigt der Anteil deutlich:

  • 6-7 Jahre: 38 %

  • 8-9 Jahre: 59 %

  • 10-11 Jahre: 85 %

  • 12-13 Jahre: 99 %

Diese Zahlen verdeutlichen, wie präsent digitale Medien bereits im jungen Alter sind.


Eine Studie des National Institutes of Health (NIH) in den USA hat festgestellt, dass Kinder, die mehr als zwei Stunden täglich vor Bildschirmen verbringen, in Sprach- und Denktests schlechter abschneiden. Zudem zeigten Gehirnscans eine vorzeitige Verdünnung der Kortikalis, der äußeren Schicht des Gehirns, die für die Verarbeitung von Informationen zuständig ist. Die langfristigen Auswirkungen dieser Veränderungen sind jedoch noch unklar.


Eine Untersuchung der University of Alberta in Kanada ergab, dass Kinder, die mehr als zwei Stunden täglich mit Bildschirmmedien verbringen, ein um 7,7-fach höheres Risiko für Aufmerksamkeitsdefizite aufweisen als Kinder mit weniger als 30 Minuten Bildschirmzeit pro Tag. Die Forscher betonen die Bedeutung von körperlicher Aktivität und Schlaf für die gesunde Entwicklung von Kindern und empfehlen, die Bildschirmzeit zu begrenzen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Leitlinien herausgegeben, die empfehlen, dass Kinder im Alter von 2 bis 5 Jahren nicht mehr als eine Stunde sitzende Bildschirmzeit pro Tag haben sollten. Für Kinder unter 2 Jahren wird von Bildschirmzeit vollständig abgeraten. Für ältere Kinder gibt es keine spezifischen Zeitangaben, jedoch wird betont, dass ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Bildschirmzeit und anderen Aktivitäten wie körperlicher Bewegung und Schlaf wichtig ist.


Was passiert im Gehirn von Kindern bei der Nutzung digitaler Medien?


Die Nutzung digitaler Medien beeinflusst verschiedene Prozesse im kindlichen Gehirn:


  1. Belohnungssystem: Aktivitäten wie das Spielen von Online-Games oder die Nutzung sozialer Medien aktivieren das dopaminerge Belohnungssystem im Gehirn. Dies kann zu einer erhöhten Ausschüttung von Dopamin führen, einem Neurotransmitter, der für Glücksgefühle verantwortlich ist. Bei übermäßiger Nutzung kann das Gehirn jedoch eine Toleranz entwickeln, was dazu führt, dass immer mehr Stimulation benötigt wird, um das gleiche Glücksgefühl zu erreichen. Dies kann das Risiko für die Entwicklung von Suchtverhalten erhöhen.


  2. Aufmerksamkeitssteuerung: Schnelle Bildwechsel und ständige Reize in digitalen Medien können die Fähigkeit zur Aufmerksamkeitssteuerung beeinträchtigen. Das Gehirn gewöhnt sich an die hohe Reizfrequenz, wodurch es in realen, weniger stimulierenden Situationen schwieriger wird, die Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten. Dies kann zu Konzentrationsschwierigkeiten führen.


  3. Schlaf-Wach-Rhythmus: Die Nutzung von Bildschirmen, insbesondere vor dem Schlafengehen, kann die Produktion von Melatonin, einem Hormon, das den Schlaf-Wach-Rhythmus reguliert, beeinträchtigen. Das blaue Licht von Bildschirmen hemmt die Melatoninproduktion, was zu Einschlafproblemen und einer verminderten Schlafqualität führen kann.


  4. Emotionale Regulation: Wenn digitale Medien als primäre Strategie zur Beruhigung oder Ablenkung genutzt werden, können Kinder Schwierigkeiten entwickeln, ihre Emotionen ohne diese Hilfsmittel zu regulieren. Dies kann die Entwicklung von Selbstregulationsfähigkeiten beeinträchtigen.


  5. Soziale Interaktion: Übermäßige Bildschirmzeit kann die Zeit für direkte zwischenmenschliche Interaktionen reduzieren. Dies kann die Entwicklung von Empathie, Kommunikationsfähigkeiten und anderen sozialen Kompetenzen beeinträchtigen.


Hinweise für Eltern zum Umgang mit digitalen Medien

Ein bewusster und ausgewogener Umgang mit digitalen Medien ist entscheidend für die gesunde Entwicklung von Kindern. Hier sind einige Empfehlungen für Eltern:


1. Klare Regeln für die Bildschirmzeit aufstellen
  • Lege gemeinsam mit deinem Kind feste Bildschirmzeiten fest.

  • Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin empfiehlt für Kinder zwischen 6 und 10 Jahren maximal 45–60 Minuten pro Tag und für Kinder zwischen 10 und 13 Jahren maximal 90 Minuten täglich.

  • Wichtig: Ein digitaler „Freifahrtschein“ für das Wochenende kann kontraproduktiv sein. Stattdessen sollten Eltern eine tägliche, konstante Begrenzung einhalten.


2. Vorbild sein – Eltern als digitale Begleiter
  • Kinder orientieren sich an ihren Eltern. Wenn Eltern ständig auf ihr Smartphone schauen, wird es schwer, vom Kind ein anderes Verhalten zu erwarten.

  • Vermeide es, während gemeinsamer Mahlzeiten oder Gespräche auf das Handy zu schauen.

  • Erkläre deinem Kind, warum du digitale Medien nutzt, z. B. für Arbeit oder Nachrichten, damit es zwischen sinnvoller und übermäßiger Nutzung unterscheiden kann.


3. Kein Handy oder Tablet vor dem Schlafengehen
  • Bildschirme strahlen blaues Licht aus, das die Produktion von Melatonin, dem Schlafhormon, hemmt.

  • Spätestens eine Stunde vor dem Schlafengehen sollten Kinder keine digitalen Geräte mehr nutzen.

  • Ersetzen Sie Abendrituale mit einer analogen Alternative, z. B. gemeinsames Lesen, ein Hörspiel oder Entspannungsübungen.


4. Inhalte bewusst auswählen und begleiten
  • Nicht alle Bildschirmzeiten sind gleich! Ein interaktives Lernspiel kann förderlich sein, während YouTube-Videos oder soziale Medien eher passiv konsumiert werden.

  • Nutzen Sie kindgerechte Plattformen und achten Sie auf Inhalte mit pädagogischem Mehrwert.

  • Schaue gemeinsam mit deinem Kind Online-Videos an und bespreche Inhalte kritisch.


5. Alternative Beschäftigungen fördern

Kinder nutzen Medien oft aus Langeweile – deshalb hilft es, spannende Alternativen zu bieten:

  • Bewegung: Sport, Tanzen, Radfahren oder einfach draußen spielen.

  • Kreative Tätigkeiten: Malen, Basteln, Musik machen oder Geschichten schreiben.

  • Gesellschaftsspiele: Brettspiele fördern die Konzentration und die soziale Interaktion.

  • Kochen & Backen: Gemeinsames Zubereiten von Essen macht Spaß und gibt Kindern Erfolgserlebnisse.


6. Ein gesundes Gleichgewicht schaffen
  • Eine Regel könnte lauten: „Für jede Stunde Bildschirmzeit eine Stunde Bewegung“.

  • Fördern Sie analoge Hobbys, die Ihr Kind begeistern.

  • Digitale Medien sollten nicht die einzige Freizeitbeschäftigung sein.


Wie Eltern mit Widerstand umgehen, wenn Kinder kein Handy mehr haben dürfen

Wenn Kinder plötzlich weniger Zeit mit dem Handy oder Tablet verbringen dürfen, kann das zu Frustration und Widerstand führen. Hier sind einige Strategien, um diesen Übergang zu erleichtern:


1. Verständnis zeigen und schrittweise vorgehen

  • Plötzliche Einschränkungen können zu Wut oder Trotzreaktionen führen. Reduziere die Bildschirmzeit schrittweise.

  • Erkläre deinem Kind, warum weniger Bildschirmzeit wichtig ist, und lasse es bei der Gestaltung der neuen Regeln mitentscheiden.


2. Emotionale Ausbrüche aushalten

  • Digitale Medien aktivieren das Belohnungssystem im Gehirn. Wenn sie wegfallen, kann es zu Entzugserscheinungen kommen.

  • Bleib geduldig und konsequent – das Gehirn braucht einige Zeit, um sich umzustellen.

  • Hilf deinem Kind, Frust anders zu bewältigen, z. B. durch Bewegung, Spiele oder kreative Aktivitäten.


3. Alternative Highlights schaffen

  • Plane bewusst gemeinsame Aktivitäten ohne Bildschirm: ein Wochenendausflug, ein Picknick oder eine neue Freizeitbeschäftigung.

  • Kinder gewöhnen sich schneller um, wenn sie spannende Alternativen haben.


4. Kleine Erfolge feiern

  • Lob dein Kind, wenn es sich an die neuen Regeln hält.

  • Mach dir bewusst, wie gut es sich nach einem Nachmittag ohne Bildschirm fühlt.



Digitale Medien sind nicht grundsätzlich schlecht – es kommt auf die Dosis und die Art der Nutzung an. Eltern sollten nicht einfach Verbote aussprechen, sondern gemeinsam mit ihrem Kind einen gesunden Umgang erarbeiten.

🔹 Setzen Sie klare Bildschirmzeiten und bleiben Sie konsequent.

🔹 Seien Sie Vorbild und nutzen Sie digitale Medien bewusst.

🔹 Fördern Sie analoge Aktivitäten als Alternative.

🔹 Gehen Sie geduldig mit Widerstand um und geben Sie Ihrem Kind Zeit, sich umzustellen.


Ein ausgeglichener Medienkonsum hilft Kindern, ihre Konzentrationsfähigkeit, Kreativität und soziale Kompetenzen zu erhalten – und langfristig gesunde digitale Gewohnheiten zu entwickeln.



 
 

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